Im Nachgang zur Shift/CX Konferenzwoche veröffentlichen wir verschiedene Gastbeiträge von Teilnehmenden und ihren Key Learnings der Veranstaltung. Den Start machen wir mit einem Beitrag von Sergej Plovs (Unternehmer, Berater und CRM-Pionier in der DACH-Region). Mehr zum Autor siehe Beitragsende.
Die Shift/CX-Konferenzwoche von 11. bis zum 15. März bot eine umfassende Plattform für die Diskussion über die aktuellen Trends und Herausforderungen im Bereich der Customer Experience für das Jahr 2024. Strategische Empfehlungen zur Steigerung der Effektivität von CX, innovative Ansätze im Bereich Künstliche Intelligenz für verbesserte Kundenerlebnisse und das Management sowie die Orchestrierung der Customer Journey standen dabei im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Besonders am zweiten Tag der Konferenzwoche lag der Fokus auf der Optimierung der Kundenansprache und einem tieferen Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden. Eine der Diskussionsrunden, an der ich auch aktiv teilnehmen dürfte, widmete sich den Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei der Implementierung einer personalisierten, automatisierten Customer Experience. Dabei wurden Fragen zur aktuellen Umsetzung, den größten Hürden und möglichen Lösungsansätzen, dem Einsatz von KI sowie dem Bedarf an menschlicher Interaktion behandelt.
Personalisierte und selbstbestimmte Interaktion
Eine personalisierte und eigenbestimmte digitale Interaktion kann ein Traum sein, wenn sie reibungslos funktioniert. Doch wenn nicht, wird sie schnell zu einem Albtraum, insbesondere für die Kunden.
Die Kunden wünschen sich eine personalisierte und eigenbestimmte digitale Interaktion mit Unternehmen. Jedoch bin ich der Meinung, dass dieser Wunsch eher von den Unternehmen selbst ausgeht. Der aktuelle Stand der Umsetzung variiert beträchtlich je nach Branche und Geschäftsmodell. Während einige Unternehmen bereits fortschrittliche personalisierte Interaktionen bieten, stehen andere noch am Anfang. Die Idee der Hyperpersonalisierung, die oft diskutiert wird, bleibt für die Mehrheit der Unternehmen noch unerreichbar.
Praxisprojekte zeigen, dass Unternehmen dazu neigen, Kundeninteraktionen an ausgewählten Kontaktpunkten zu personalisieren und zu automatisieren. Jedoch bleibt es meist bei einer punktuellen Personalisierung, und die gesamte Customer Journey wird selten vollständig berücksichtigt.
Der Status Quo einer durchgängig personalisierten Kundeninteraktion erinnert mich oft an herrliche weiße Wintertage, wenn ich morgens das Haus verlasse, um den etwa 800 Meter langen Weg zur Haltestelle zu gehen. Abhängig davon, an welchem Haus ich vorbeikomme, sind einige Abschnitte meiner kurzen Journey vom Schnee befreit, einige sind sogar gestreut, während andere noch mit frischem Schnee bedeckt sind. Die einzelnen Häuser können dabei als die unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens betrachtet werden. Die Wege entlang ihrer Grundstücke stellen die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche dar, während die Personen, die entlang des Fußwegs gehen, die Kunden symbolisieren.
So ähnlich sieht es mit der Customer Journey aus Sicht des Kunden aus. Es gibt Abschnitte, die reibungslos verlaufen, während andere weniger zufriedenstellend sind. Einige Abteilungen sind bei der Gestaltung ihrer Journey-Abschnitte weiter fortgeschritten, während andere etwas länger brauchen, um den Erwartungen gerecht zu werden. Leider gibt es auch solche, die die Verantwortung von sich weisen und meinen, dass es nicht ihr Problem sei, und erwarten, dass der Kunde damit allein zurechtkommt.
Vielfältige Herausforderungen
In der Praxis wird immer deutlicher, dass Unternehmen nicht an entsprechenden Strategien oder ausgearbeiteten Konzepten mangeln. Der größte Gap liegt oft im Übergang zur Umsetzung, da längst nicht alle vielversprechenden Ideen und Konzepte tatsächlich realisiert werden. Doch welche sind die bedeutendsten Herausforderungen? Ich möchte auf die aus meiner Sicht drei wichtigsten Aspekte eingehen.
Erstens stehen wir vor dem Problem der Daten. Die Schwierigkeit liegt nicht nur in der Menge der verfügbaren Informationen, sondern vielmehr in deren Qualität und Aktualität. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die bereitgestellten Daten zuverlässig, aktuell und relevant sind. Denn für die Personalisierung und Automatisierung der Kundenkontakte sind Customer Insights von entscheidender Bedeutung. Oftmals befinden sich diese Daten in verschiedenen Abteilungen, die als abgeschottete Silos betrachtet werden können. Um sie effektiv zu nutzen, müssen sie zuerst konsolidiert und bereinigt werden.
Zweitens ist die Unternehmenskultur von großer Bedeutung. Eine kundenzentrierte Kultur entsteht nicht über Nacht, nur weil der Begriff "Kundenzentrierung" an prominenter Stelle in der Organisation erwähnt wird. Organisatorische Veränderungen sind ein kontinuierlicher Prozess und kein einmaliges Ereignis. Leider wird dieser Prozess oft vernachlässigt. Die einzelnen Abteilungen müssen aktiv in diesen Veränderungsprozess einbezogen werden. Die Mitarbeiter benötigen das erforderliche Wissen über Hyperpersonalisierung und Automatisierung der Kundeninteraktion. Dabei darf der technologische Fortschritt nicht zu einem Rückschritt im menschlichen Umgang und in der Qualität der Kommunikation führen.
Die dritte große Herausforderung liegt in der Integration. Unternehmen nutzen verschiedene Systeme und Plattformen zur Personalisierung und Automatisierung von Kundenkontaktpunkten. Leider sind diese selten nahtlos miteinander verbunden. Ich spreche hier nicht nur von der reinen Systemintegration, denn über zahlreiche Adapter und selbstentwickelte Schnittstellen sind die einzelnen Tools technisch miteinander verbunden. Es mangelt in den meisten Fällen an durchgängiger Integration auf Daten- und Prozessebene. Diese unzureichende Integration kann zu Inkonsistenzen in der Kundeninteraktion führen und die Effizienz der Automatisierung beeinträchtigen.
Bevor Unternehmen mit der Umsetzung der Automatisierung und Verselbständigung der Kundeninteraktion beginnen, müssen sie diese drei Herausforderungen angehen und bewältigen.
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Vielversprechender Einsatz von KI
Der vielversprechende Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) stellt Unternehmen vor zahlreiche Möglichkeiten, doch wie können diese Potenziale realisiert werden? Oft hört man Aussagen wie "Das machen wir mit KI", "KI kann das" oder "Dafür brauchen wir eine KI-basierte Lösung". Jedoch muss klar sein, dass KI nicht immer alle Erwartungen erfüllen kann. Die Effektivität von KI-basierten Ansätzen und Lösungen hängt stark von den bereits genannten Grundvoraussetzungen ab: Daten, Integration und Unternehmenskultur.
Ähnlich wie ein frischgebackener Hochschulabsolvent keine 20-jährige Erfahrung im Kundenkontakt haben kann, ist es auch unrealistisch, KI als Allheilmittel zu betrachten. Der Einsatz von KI erfordert vielmehr, ihr sämtliches Wissen zu vermitteln, alle erforderlichen Informationen bereitzustellen, sie zum Lernen zu befähigen und Geduld zu üben. Durch geeignete Methoden und menschliche Unterstützung kann KI jedoch deutlich schneller lernen als eine Person. Es ist wichtig zu betonen, dass dieser Lernprozess nicht nur für relevante Informationen gilt, sondern auch für die Aufnahme, Verarbeitung und Nutzung von falschen oder weniger relevanten Daten.
Die Qualität und Aktualität der verfügbaren Daten sind entscheidend für die Leistungsfähigkeit und das Verhalten von KI-Systemen. Bevor die künstliche Intelligenz eigenständig mit Kunden interagiert, muss sie von menschlicher Intelligenz trainiert werden. Leider werden diese grundlegenden Voraussetzungen oft vernachlässigt, sowohl von Unternehmen als auch von KI-Anbietern, die häufig die Herausforderungen in ihren Verkaufsversprechen unterbewerten oder verschweigen.
Die Erwartungen der Kunden an KI sind oft hoch, doch häufig wird zu viel versprochen. Das eigentliche Problem liegt darin, dass die Versprechungen der Anbieter oft unrealistisch sind. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, realistische Erwartungen zu setzen und sicherzustellen, dass die notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz von KI geschaffen werden. Nur wenn Unternehmen die Bedeutung von Datenqualität, Integration und einer förderlichen Unternehmenskultur erkennen und entsprechend handeln, können sie das volle Potenzial von KI ausschöpfen.
Bedeutung der menschlichen Interaktion
Die Suche nach einer idealen Balance zwischen menschlicher und automatisierter Kundeninteraktion bleibt eine komplexe Herausforderung, für die es keine universelle Berechnungsformel gibt - und auch in Zukunft nicht geben wird. Sowohl Unternehmen als auch ihre Kunden sind äußerst vielfältig, wodurch eine pauschale Lösung unmöglich ist.
Aktuell wird intensiv daran gearbeitet, automatisierte Interaktionen so menschlich wie möglich zu gestalten. Das Ziel besteht darin, dem Kunden eine nahtlose Erfahrung zu bieten, bei der er nicht einmal bemerkt, dass er mit einer Maschine kommuniziert.
Dennoch bin ich der Ansicht, dass künstliche Intelligenz, unabhängig von ihrer äußeren Erscheinung, als solche erkennbar sein sollte. Statt den Anschein von Menschlichkeit zu erwecken, sollte KI transparent als Maschine wahrgenommen werden.
Automatisierte Kommunikation mit Unternehmen wird von Kunden im Allgemeinen nicht grundsätzlich abgelehnt. Im Gegenteil, wenn diese Interaktionen zu positiven Ergebnissen führen und die Bedürfnisse der Kunden erfüllen, kann dies sogar zu einer stärkeren Kundenbindung und -zufriedenheit beitragen.
Allerdings sollten automatisierte Prozesse nicht als Ausrede für eine negative Customer Experience herhalten müssen. Die lösungsorientierte Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen sollte stets im Mittelpunkt stehen. Wenn Zweifel bestehen, ob ein Anliegen des Kunden von einer Maschine verstanden und angemessen bearbeitet werden kann, ist die direkte Kommunikation zwischen Mensch und Mensch zweifellos vorzuziehen.
Die Frage nach der idealen Balance zwischen menschlicher und automatisierter Interaktion bleibt somit eine individuelle Entscheidung, die von den spezifischen Anforderungen und Zielsetzungen jedes Unternehmens abhängt. Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Kunden zu berücksichtigen und gleichzeitig die Grenzen und Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz zu respektieren.
Über den Autor
Sergej Plovs Sergej Plovs (42) ist Unternehmer, Berater, Stratege, Autor, Speaker, Innovator und einer der CRM-Pioniere in der DACH-Region. Seit etwa 20 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit CRM und Customer Experience Management. Geboren und aufgewachsen in der Ukraine, studierte er anschließend Wirtschaftsinformatik in Deutschland. Sein beruflicher Werdegang führte ihn durch verschiedene Stationen in der Forschung, bei Beratungsunternehmen und in international agierenden Großunternehmen, bevor er vor 10 Jahren zum CRM-Spezialisten Vision11 kam. Als Geschäftsführer von Vision11 und mit über 16.500 Followern auf LinkedIn zählt er heute zu den einflussreichsten CRM-Experten im deutschsprachigen Raum. |
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