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Marketing Automation: Weg mit den Datensilos!

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Verantwortliche aus Marketing und Vertrieb rechnen für 2023 mit schwierigen Voraussetzungen. Die Energiekrise und die Inflation sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die es beim Einsatz der Budgets zu berücksichtigen gilt. Doch auch vor dem Hintergrund dieser ökonomischen Unwägbarkeiten lässt sich die digitale Transformation von Marketing und Vertrieb nicht aufhalten.

Die Gründe sind klar: Tools für Marketing Automation können das Lead-Engagement steigern, die Vertriebsaktivitäten verbessern und die Produktivität erhöhen. Als Trends bei der Marketing Automation sehen ExpertInnen derzeit vor allem Personalisierung beziehungsweise personalisierte Kundenkommunikation – realisiert über funnel-optimierten Content –, datengestützte Entscheidungsfindung, Lead-Generierung und Lead Nurturing sowie nahtloses Omnichannel-Marketing.

Wir haben Daniel Renggli, Marketing- und Kommunikationsexperte sowie Customer Experience Enthusiast von der Hase & Igel GmbH, und Laurentius Malter, Experte für Customer Engagement und MarTech bei der b.telligent Group Holding GmbH, zum Stand der Marketing Automation in den Unternehmen und zu den Herausforderungen eines automatisierten Marketings befragt.

Die „Trendumfrage Marketing Automation” vom Herbst 2022 zeigt: Selbst große Unternehmen verzeichnen oft einen unter­durchschnittlichen Automatisierungsgrad. Wie sind Ihre Einschätzungen zum aktuellen Stand von Marketing Automation in Unternehmen? 

Daniel Renggli: 

Das überrascht mich nicht. Große Unternehmen haben es oft schwerer bei Automatisierungsvorhaben aufgrund von Datensilos und einer komplexen IT-Landschaft. Bei kleineren Unternehmen stelle ich fest, dass viele zwar wollen, aber angesichts des immensen Angebots an Marketingautomationslösungen schlicht überfordert sind.

Laurentius Malter:

Teilweise agieren die Unternehmen nach der Einführung der Lösung bereits sehr gut, etwa bei den Themen Personalisierung und Kampagnenvolumen. Teilweise ist aber noch Luft nach oben, besonders was das Testen, die Anbindung weiterer Kanäle oder die Erfolgsmessung anbelangt.

Nach der Einführung einer Marketing-Automation-Lösung werden üblicherweise ein bis zwei Testkampagnen umgesetzt, um unter anderem bestimmte Funktionalitäten oder die korrekte Datenbeladung zu überprüfen. Danach werden zumeist die Kampagnen, die vorher manuell oder in der alten Lösung umgesetzt worden sind, einfach eins zu eins in die neue Lösung übernommen. Dieser Status wird dann gerne sehr lange beibehalten, um nichts falsch zu machen.

Meiner Meinung nach muss es danach aber mutiger weitergehen:

  • Wie schnell können weitere Kanäle angebunden werden?
  • Wo bleibt das Nachfassen nach der E-Mail-Kampagne? 
  • Erhalten die Nicht-Reagierer einen weiteren Anreiz? 
  • Wie hoch war der „Uplift“ zur Kontrollgruppe beziehungsweise wie hoch war letztendlich der Kampagnenerfolg? 
  • Wie sollte eine optimale Kontaktstrategie (Frequency Capping) aussehen?  



Hier sollten Unternehmen den nächsten Schritt bezüglich Automatisierung von Kampagnenprozessen, Testing neuer Kampagnen sowie deren automatische Erfolgsmessung aktiver angehen. 

Was muss passieren, damit Marketing Automation ihre volle Wirkung entfalten kann?  

Daniel Renggli: 

In einem Artikel, den ich mit „Stolpersteine auf dem Weg zur Marketing Automation“ betitelte, habe ich ausführlich beschrieben, worauf man achten muss, wenn Marketing Automation gelingen soll. Zusammengefasst: 

1. Klarheit über die Ziele

Die Kampagnenplanung beginnt mit der Zielsetzung. Wir müssen uns im Klaren sein, was wir bei (potenziellen) Kunden konkret auslösen wollen und wie wir den Erfolg messen werden (Objectives and Key Results, OKR). Dann folgt die Roadmap mit einzelnen Kampagnenschritten. 

2. Alle Mitarbeitenden einbeziehen

Marketing Automation erfordert ein Umdenken in den Prozessen. Deshalb sollten wir alle MitarbeiterInnen, die Kundenkontakt haben, bei unseren Automatisierungsvorhaben einbeziehen. Allen voran VertreterInnen aus dem Vertrieb und dem Kundendienst, aber auch aus der IT-Abteilung.  

Wir dürfen Marketing Automation nicht als völlig isolierte Disziplin innerhalb des Marketings betrachten. Es gilt, in ganzheitlichen Prozessen zu denken, die die gesamte Customer Experience reflektieren – vom ersten Interesse eines potenziellen Kunden über den Kauf bis hin zur einer After-Sales-Betreuung und einem Loyalitätsprogramm. 

3. Keine starren Segmente

Entscheidend ist auch die Segmentierung. Wir sollten nicht mit starren Segmenten arbeiten, die aufgrund artifizieller Personas gebildet wurden. Für die für das Gelingen der Marketingautomation wichtige Hyperpersonalisierung arbeiten moderne Lösungen mit „Segments of One“. Diese entsprechen dynamischen Kundenprofilen, die mit jeder Interaktion geschärft werden. 

4. Zuverlässige Daten

Für die Personalisierung brauchen wir zuverlässige Daten. Hier scheitern viele Vorhaben an den Datensilos innerhalb eines Unternehmens. Idealerweise würden wir also erst einmal die Daten aggregieren und harmonisieren. Das kann jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen. Die gute Nachricht: Es gibt Kundendatenplattformen (Customer Data Platforms, CDPs), die es ermöglichen, Daten aus unterschiedlichen Pools zusammenzuziehen und mittels KI zu einem gewissen Grad zu harmonisieren – und für die Marketing Automation nutzbar zu machen. 

5. Klein anfangen

Es hat sich bewährt, klein anzufangen. Mit einer wenig komplexen, übersichtlichen Kampagne. Arbeiten wir erst einmal mit einfachen Workflows und lernen durch konsequentes Messen, was innerhalb unserer Zielgruppen funktioniert und was nicht. Danach optimieren wir und bauen erst später komplexere Workflows mit multiplen Triggern und Lead Scoring. Das gilt insbesondere, wenn wir noch keine verlässlichen Daten haben (siehe oben). 

6. Relevanter, attraktiver Content

In Zeiten von Überkommunikation und Reizüberflutung ist guter Content zentral für das Gelingen der Marketing Automation.

Guter Content sollte folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Adressiert die Schmerzpunkte der Zielgruppe 
  • Ist hochwertig und nicht frei zugänglich 
  • Hat News-Charakter 
  • Kommt dem Informationsverhalten der Buyer Personas entgegen 
  • Beinhaltet die für das Kampagnenziel relevanten Argumente 
  • Ist attraktiv gestaltet 


7. Beschäftigung mit Customer Experience Management

Digital Marketer sollten sich mit den wichtigsten Aspekten des Customer Experience Managements auseinandersetzen. Dazu gehören neben vielen anderen Punkten die Customer Journey, also End-to-End-Prozesse über Silogrenzen hinweg. Ob Marketing Automation gelingt, entscheiden letztlich die Kunden. 

8. Kampagnen testen

Eine Kampagne kann nur erfolgreich sein, wenn sie auch getestet wurde. Dabei werden zum Beispiel Kampagnenstränge, Verknüpfungen, Logiken und Intervalle auf ein einwandfreies Funktionieren überprüft. Schnell wird deutlich, was funktioniert, und wo es nachzubessern gilt. Wer nicht alles auf eine Karte setzen will, versucht es mit A/B-Testing. Dabei lässt sich mit unterschiedlichen Kampagnenverläufen, Inhalten, Headlines, oder Bildmaterial experimentieren. 

9. Gut integrierbare Lösung für Marketing Automation

Wenn Marketing Automation ihre volle Wirkung entfalten soll, dann sollten wir uns nicht unbedingt für die allerbeste Lösung entscheiden (best of breed), die über Dutzende coole Features verfügt, sondern für eine gut integrierbare Lösung – in Bezug auf bestehende Kundenprozesse und die vorhandene IT-Landschaft. Wir sollten dabei aber auch einen Blick in die Zukunft wagen, um uns mit der Beschaffung einer Lösung nicht etwas zu verbauen. 

10. Vorsicht bei KI!

Vorsicht geboten ist bei künstlicher Intelligenz. Einerseits führen beispielsweise im E-Mail-Marketing die auf KI-basierende „Send Time Optimization“ und „Fatigue Analysis“, also die Entscheidung, zu welcher Tageszeit und wie oft mit einer Zielperson kommuniziert wird, zu besseren Resultaten. Andererseits kann das auf Algorithmen basierende „Programmatic Advertising“ zum genauen Gegenteil führen. Nämlich dann, wenn die KI falsch trainiert ist oder Ziele falsch gesetzt worden sind, wie etwa hohe Klickraten und ein günstiger Tausend-Kontakt-Preis (TKP). 

Laurentius Malter: 

Die Marketing-Automation-Lösung sollte, nachdem die neuen Prozesse zur Gewohnheit geworden und die Kinderkrankheiten der Einführung beseitigt sind, noch breiter im Unternehmen verankert werden. Denn sie kann jetzt viel mehr als die alte beziehungsweise manuelle Lösung: Lange geplante Kampagnen mit ausgewählten Kundengruppen umsetzen, Daten in großem Umfang zur Personalisierung nutzen oder Prozesse wie Datenbeladung, Selektion oder auch Erfolgsmessung automatisieren. So kann man sich mehr auf strategische Ziele fokussieren. Diese neuen Möglichkeiten sollten im Unternehmen auch entsprechend kommuniziert werden, schließlich profitieren auch andere Bereiche davon, wie etwa der Vertrieb, das Produktmanagement oder auch der Point of Sale (PoS). 

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Als größte Herausforderung bei der Marketing Automation ist für viele Unternehmen das Generieren eines konsistenten Kundenerlebnisses über alle Kanäle und Touchpoints hinweg. Warum ist das so schwierig? 

Daniel Renggli: 

Ich denke das liegt weniger an der Automatisierung per se, sondern daran, dass in größeren Unternehmen Disziplinen wie Brand Management, Marketing oder Customer Experience Management getrennt sind. Eine gute Customer Experience über alle Touchpoints kann nur gelingen, wenn wir in End-to-End-Prozessen denken – vom Kunden zum Kunden – und Abteilungssilos überwinden.

Außerdem lässt sich nicht alles automatisieren. Spätestens beim After-Sales-Support hört es auf. Hier gibt es zwar mit geeigneten Self-Service-Anwendungen und Chatbots auch die Möglichkeit, für das Gros der Anfragen automatisch die richtigen Problemlösungen vorzuschlagen. Aber wir müssen hier zwingend auch eine Schnittstelle zu einem Service-Mitarbeiter einbauen für den Fall, dass der Bot nicht weiterweiß oder der Kunde das explizit wünscht.

Spätestens hier kommt es dann zum Medienbruch. Wir müssen also auch sicherstellen, dass die Beschwerde und die vorgeschlagene Lösung für die weitere Automatisierung berücksichtigt werden. Niemand will später für den Kauf weiterer Produkte oder Dienstleistungen animiert werden, mit denen er oder sie nicht zufrieden oder solange ein Problem noch nicht gelöst ist. 

Laurentius Malter: 

Eine konsistentes Kundenerlebnis über alle Touchpoints ist für ein erfolgreiches Customer Engagement essenziell. Dies wird aber nur dann erreicht, wenn der Kunde mit all seinen relevanten Daten (etwa Stamm-, Verhaltens- und Bestelldaten, Interessen, Kauf- oder Vertragsdaten) in seinem 360°-Profil an den Touchpoints konsistent (wieder-)erkannt wird und über diese Kanäle für ihn personalisierte und relevante Angebote erhält, die auf sein Verhalten und auf seine Affinitäten abgestimmt sind.

Das Erfolgsgeheimnis ist also das Aufbrechen der häufig vorhandenen Datensilos. Umstände, die das mitunter sehr schwierig machen können, sind Fragen wie:  

  • Liegen diese Daten historisch in anderen Bereichen oder sind in Altsystemen „vergraben“? 
  • Wem gehören die Daten und gibt es dafür auch einen aktuell gültigen Consent von Kundenseite – abgesehen von der technischen Verfügbarkeit? 
  • Wie ist die Datenqualität?  


Diese Herausforderungen zu meistern, mag schwierig sein. Die Zeit und Energie in diese Arbeit zu stecken lohnt sich aber, um den wertvollen Datenschatz zu heben. 

Auch Marketing ist permanent im Wandel. Was sind für Marketer die „Pain Points” bei der Marketing Automation 2023?  

Daniel Renggli: 

Der größte „Pain Point” bleibt meines Erachtens die Vielfalt und die schiere Menge an Anwendungen für Marketing Automation. Es gibt rund 8.000 Automationslösungen mehrerer hundert Hersteller auf dem Markt. Hier einen guten Überblick zu gewinnen ist fast unmöglich. Viele Marketer sind damit überfordert und entscheiden sich dann für eine zweitklassige oder völlig überdimensionierte Lösung eines bekannten Softwarehauses. Ganz nach dem Motto: Wenn Hunderte meiner KollegInnen sich dafür entschieden haben, kann mir später niemand einen Vorwurf machen.

Viel wichtiger wäre, sich in Absprache mit allen relevanten, internen Stakeholdern erst einmal darüber klarzuwerden, was man erreichen will – kurz- und mittelfristig – und wie sich die Lösung integrieren lässt. Mit dem Ziel, Medienbrüche und inkonsistente Kundenerlebnisse an den einzelnen Touchpoints entlang der Customer Journey zu vermeiden. 

Laurentius Malter: 

Folgende „Pain Points” sehen wir bei der Auswahl und Einführung einer Lösung für Marketing Automation 2023: 

1. Fehlende Zentrierung aller Kundendaten zu einer 360°-Sicht 

Nach wie vor ist dies für Unternehmen eine große Herausforderung, die einiges an Zeit und Energie erfordert, sich aber mittel -und langfristig lohnt. 

2. Qual der Wahl bei Auswahl der richtigen Marketing-Automation-Lösung 

Wie passt die neue Lösung in die aktuelle Landschaft? Wie sieht eigentlich unser derzeitiger CRM- beziehungsweise MarTech-Stack aus? Gibt es sich überlappende Funktionalitäten?

Um Fragen wie diese zu beantworten, sollte vor der Auswahl und Einführung einer neuen Lösung eine genaue Analyse der Systemlandschaft stattfinden. 

3. Richtige Rollen und Aufbau von Daten-Know-how im Marketingteam 

Vorbei sind die Zeiten, in denen nur Stamm-, Transaktions- oder Vertragsdaten für Kampagnen genutzt wurden. Digitale Kanäle, wie Mobile Apps, E-Mail oder Website- Tracking, Zero-Party-Daten und Daten aus weiteren Touchpoints (etwa dem Service Center) eröffnen neue Chancen für die Ansprache und Personalisierung. Diese müssen aber auch inhaltlich vom Marketing verstanden und analytisch korrekt genutzt werden. Es gilt, die entsprechenden Rollen und Skills dafür rechtzeitig im Marketing aufzubauen. 

Wir bedanken uns für das Gespräch, Daniel Renggli und Laurentius Malter!  

 

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