Eine Customer Journey sollte zur vollsten Zufriedenheit (potenzieller) Kunden gestaltet sein. Doch nicht immer gelingt das. Unternehmen, die über sehr viele mögliche Berührungspunkte (Touchpoints) mit Kunden verfügen, brauchen zunächst einen Überblick über diese Berührungspunkte. Hier kommt die Customer Journey Map zum Einsatz.
Doch eine „Reisekarte” der Kunden zu erstellen reicht nicht aus. Die nächste Herausforderung besteht darin, die Kundenzufriedenheit an den einzelnen Touchpoints im Rahmen einer Analyse der Customer Journey zu messen. Dies ist eine permanente Aufgabe, um zu einer möglichst positiven Customer Experience zu gelangen – keine Eintagsfliege!
Statements aus der Community
Wie weit sind die Unternehmen bei der Analyse der Customer Journey? Um Einschätzungen zum Stand der Umsetzung zu erhalten, haben wir unser Netzwerk befragt. Schon an dieser Stelle herzlichen Dank an alle, die sich spontan zum Antworten bereit erklärt haben.
Wie gut sind Unternehmen die Customer Journeys und Schlüsselmomente (Moments of Truth) ihrer Kunden bekannt?
Harald Henn, Consultant und Customer Experience Navigator:
Da gibt es Unterschiede. Im E-Commerce oder dem Versandhandel ist das schon sehr gut der Fall, weil es überlebenswichtig ist, die Customer Journey zu kennen. Und die Customer Journey ist zu 100 Prozent digital, das heißt ich habe alle notwendigen Messpunkte. Andere Unternehmen aus anderen Branchen kennen die Reisen der Kunden weit weniger gut.
Annika Björck, Coach, Beraterin und Dozentin für Customer Experience Management:
Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst klären, was unter einer Customer-Journey-Analyse zu verstehen ist. Fachlich ist eine solide Analyse der Customer Journey mit Kunden erhoben, und zwar von dem Moment, wenn ein Kundenbedürfnis entsteht, bis zu dem Moment, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Eine Customer Journey stellt das Verhalten und die Erlebnisse der Kunden dar und kann diese Anhand der unterschiedlichen Personas erklären.
In der Praxis sind viele Firmen der Überzeugung, eine Customer-Journey-Analyse zu haben. Diese wurden aber durch interne Workshops, nur mit Daten oder mittels Programme zur Voice of the Customer (VoC) erstellt. Das Problem dabei ist: Im Falle interner Workshops sind das nur Hypothesen, bei der Verwendung von Daten und VoC meist nur Journey-Abschnitte.
Kunden kommen auf ihren Journeys aber meistens auch noch mit physischen Touchpoints in Kontakt. Es ist einfach eine schlechte Strategie, geschäftliche Entscheidungen auf Basis von Hypothesen und blinden Flecken zu treffen. Leider ist die Meinung weit verbreitet, dass Customer-Journey-Analysen sehr aufwändig und langwierig sind. Meine Coachees sind immer überrascht, wie einfach und schnell es eigentlich geht.
Stefan Kolle, Kundenstratege und CX-Spezialist:
Bei den meisten Firmen herrscht die Überzeugung, sie würden ihre Customer Journeys sehr gut kennen. Sobald wir das dann aber abgleichen, was die Kunden und auch die MitarbeiterInnen mit täglichem Kundenkontakt darüber denken, stellt sich heraus, dass es eben doch ein bisschen anders ist. Ich könnte zahllose Beispiele von Aha-Erlebnissen anführen, wenn wir den Unternehmen zeigen, wie die Customer Journey wirklich aussieht und was ihre Kunden wirklich wichtig finden.
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Persona-Analyse, Touchpoint-Analyse, Empathy Map, Customer Journey Map. Wie systematisch gehen Unternehmen an methodische Ansätze zur Analyse der Customer Journey heran?
Harald Henn:
Auch das lässt sich pauschal nicht beantworten. In unseren Leuchtturmprojekten des CEX Trendradars haben wir unter anderem mit EnBW oder smart Europe gesprochen. Die sind hoch professionell bei ihren Methoden. Andere sind erst am Anfang
Annika Björck:
Am weitesten verbreitet ist die Überzeugung, dies mit einem VoC-Tool gelöst zu haben. Software-Firmen sind hier sehr gut im Verkauf. Sie vermitteln das Gefühl: „Wir haben etwas unternommen, haben einen Monitor und somit alles im Griff”. Doch dann kommt die Ernüchterung. Man hat viel investiert, aber wirklich verändert hat sich noch nichts. Zu diesem Zeitpunkt entsteht dann verständlicherweise der Druck des Managements.
Die Analyse, egal mit welchem Framework, macht erst 20 Prozent der Arbeit aus. 80 Prozent ist die Veränderung. Und da sind wir, die mit Customer Experience zu tun haben, gefordert. Es liegt an uns, diese Veränderung zu leiten. Analysen machen sehr viele, eine CX-Strategie und ein Programm, um diese Veränderung systematisch voranzutreiben, haben die wenigsten. Man lässt die Organisation mit den Ergebnissen alleine, im schlimmsten Fall sind sie auch noch in den Zielen verankert. Je früher man dies angeht, desto einfacher läuft die Transformation.
Stefan Kolle:
Ich benutze da oft ein Bild von ein paar Würfeln. Viele Firmen gehen damit um nach dem Motto: Hoffen wir mal, dass es gut geht. In der Praxis sieht es dann aber so aus: Vieles von dem, was Firmen machen, ist absolut gut, bietet eine gute Erfahrung und wird von empathischen MitarbeiterInnen umgesetzt. Auch die Personas, die dazugehören, sind stimmig.
Aber wissen wir, wieviel davon Zufall ist? Oder Selbstselektion, bei der eben nur die Personas, die zum heutigen Angebot passen, als Kunden bleiben? Oder wie viele unserer MitarbeiterInnen nicht empathisch mit Kunden umgehen? Deswegen ist es wichtig, die oben genannten Tools einzusetzen. Trotzdem sollte man sich von den Tools nicht überrollen lassen. Empathie und Empowerment sind die wichtigsten Dinge, und dafür braucht es erst einmal keine Tools, sondern ein entsprechendes Mindset.
Wie weit haben Unternehmen die Analyse der Customer Journey schon in einen kontinuierlichen Prozess überführt?
Harald Henn:
Hier verweise ich auf meine Antworten zu den ersten beiden Fragen. Der Fall ist das im E-Commerce, im Handel und der Telekommunikation. Unternehmen, die bereits Marketing Automation einsetzen, nutzen in der Regel auch Analyse-Software. Für Zalando oder den Otto-Versand etwa ist das ein Arbeitswerkzeug.
Annika Björck:
Was die Analyse der Customer Journey mittels eines VoC-Tools anbelangt, so haben dies viele Firmen bereits integriert. Inklusive wildem Aktionismus und fehlendem Fokus. Ich nenne das gerne die „Drown-Falle”: Mittels „Pain-Chasing” versucht man alle schlechten Erlebnisse zu lösen, egal, ob das für den Kunden wichtig ist oder nicht. Als CX-Team ist man in unglaublich viele Kundenprojekte involviert, und kaum sind die nächsten Zahlen da, kommen weitere Projekte oder der Fokus ändert sich. Das macht alle verrückt!
Die Customer Journeys „End-to-End” haben wirklich wenige verstanden, aber das Interesse dafür nimmt zu. Wer das Wissen hat, kann sich viel einfacher auf die wirklich relevanten Erlebnisse fokussieren und die Ressourcen genauer allozieren. Dann machen die Daten und Feedbacks im großen Kontext auch Sinn und helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Stefan Kolle:
Manche wirklich gut, die meisten aber noch fast gar nicht. Es wird von einem Tool ausgegangen, das aber nicht ganzheitlich in Prozesse eingebaut ist: Wo MitarbeiterInnen gar nicht wissen, wie oder warum sie das einsetzen sollen. Der größte Feind sind dabei oft die KPIs. Wenn die nicht geändert werden, kann sich auch am Verhalten der Mitarbeiter nichts ändern. Man kann von MitarbeiterInnen nicht erwarten, dass sie ihrer eigenen Karriere schaden, indem sie gegen die KPIs angehen. Da hilft die beste Journey Map der Welt nichts.
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