
Die Diskussion um agentische KI-Systeme nimmt Fahrt auf – nicht nur in den Trenddiskussionen der Shift/CX, sondern zunehmend auch in konkreten Operationalisierungen. Wer Prozesse automatisieren, Systeme intelligenter machen oder Customer Journeys flexibler orchestrieren will, stößt schnell auf das Konzept der Agentic Automation. In einem früheren Beitrag haben wir bereits aufgezeigt, was hinter dem Hype steckt und warum die agentische Steuerung mit spezialisierten KI-Modulen neue Spielräume eröffnet (Agentic AI und Agentic Automation – Was steckt hinter den neuen Hype-Begriffen?).
Doch damit diese Systeme nicht im Pilotstatus oder in proprietären Konzepten stecken bleiben, braucht es eine strukturierte Grundlage: einen klaren Rahmen, wie Agenten Aufgaben, Werkzeuge und Kontext verstehen und nutzen können – über Systemgrenzen hinweg. Genau an dieser Stelle kommt das aktuell diskutierte Model Context Protocol (MCP) ins Spiel. Es verspricht, die Kontexterschließung für KI-Agenten zu standardisieren. Aber was steckt wirklich dahinter? Ist es ein technischer Meilenstein oder nur ein Repackaging alter Ideen?
In diesem Beitrag ordnen wir das Konzept ein, beleuchten die erste Kritik – etwa vom geschätzten Experten Ralf Mühlenhöver – und diskutieren, warum MCP trotzdem ein Schlüsselbaustein für zukunftsfähige Agenten-Architekturen sein könnte.
Was ist das Model Context Protocol (MCP)?
Das Model Context Protocol (MCP) ist ein offener Standard, den Anthropic entwickelt hat, um die Interaktion zwischen Sprachmodellen und ihrer Umgebung zu strukturieren. Statt LLMs allein über Prompts zu steuern, definiert MCP ein Format, in dem Rollen (Actors), verfügbare Tools, Zugriffspfade auf Speicher (Memory) und Kontrollregeln (Policies) systematisch beschrieben werden. Ziel ist es, Agenten über standardisierte Kontexte mit den richtigen Informationen, Fähigkeiten und Grenzen auszustatten – maschinenlesbar, strukturiert und modellunabhängig. Die vollständige Spezifikation ist offen dokumentiert (Anthropic MCP Dokumentation).
Wichtig: MCP ist kein Tool, kein Service und kein Server – sondern eine Beschreibungssprache für Kontexte. Es legt fest, wie Informationen übermittelt werden sollen, nicht durch wen oder in welcher Infrastruktur. Dadurch können Plattformen wie Zapier in die Rolle eines MCP-Servers schlüpfen: Sie machen ihre Automatisierungen, Datenverbindungen und Aktionen über eine MCP-konforme Schnittstelle zugänglich – und erlauben es so LLMs, standardisiert darauf zuzugreifen.
Gerade diese Trennung zwischen Protokoll und konkreter Implementierung macht MCP so interessant für den produktiven Einsatz: Sie schafft die Grundlage für echte Interoperabilität. KI-Agenten können auf Tool- und Datenlandschaften zugreifen, ohne dass diese speziell für ein Modell gebaut oder angepasst wurden – ein entscheidender Schritt in Richtung modularer, wiederverwendbarer Agentensysteme. Für CX-Verantwortliche bedeutet das: Wir können bestehende Prozessketten, Feedbacksysteme oder Marketing-Automationen durch MCP für agentische Nutzung erschließen – ohne sie neu zu denken, aber mit der Option, sie intelligenter zu verknüpfen.
In der Voice-Welt nichts Neues - meint Ralf Mühlenhöver
Ist MCP nun das „neue heiße Ding“? Dem widerspricht der geschätzte Voice- und Kommunikationsspezialist Ralf Mühlenhöver in einem LinkedIn-Beitrag. Unter dem Titel „MCP – Must Confuse People?“ kritisiert er die neue Aufmerksamkeit rund um das Protokoll. Aus seiner Sicht bringt MCP keine wirklich neuen Konzepte, sondern lediglich eine technische Überspezifikation von Prinzipien, die in der Voicebot- und Dialogmanagement-Welt längst etabliert sind: Rollenlogik, Toolverfügbarkeit, Zugriffskontrolle – all das gehöre dort schon lange zum Standardrepertoire.
Sein zentraler Kritikpunkt: MCP könnte mehr Verwirrung als Nutzen stiften, da es bekannte Strukturen neu benennt, ohne echte Innovation zu liefern. Er sieht wenig Mehrwert für operative CX- und Voice-Anwendungen – und stellt infrage, ob der Nutzen über theoretische Agentenszenarien hinausgeht.
Diese Kritik ist nicht unbegründet – sie greift aber aus unserer Sicht zu kurz. Denn was MCP wirklich bringt, ist nicht inhaltlich neu, wohl aber strukturell relevant: Erstmals werden diese Prinzipien als offener, standardisierter Kontextrahmen beschrieben. Was bisher in Voicebot-Plattformen proprietär und isoliert gelöst war, lässt sich nun systemübergreifend operationalisieren. Genau das ist der entscheidende Hebel für CX-Verantwortliche: Wir können bestehende Automatisierungen agentenfähig machen, ohne sie neu zu bauen – und schaffen zugleich eine Grundlage für modulare, interoperable Agentensysteme, die sich flexibel an verschiedene LLMs und Tools anbinden lassen.
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MCP als Brücke zur Standardisierung von Agentic Automation
Im agentischen Paradigma verlassen wir die Vorstellung zentraler KI-Instanzen. Stattdessen agieren spezialisierte Agenten in Rollen, greifen auf spezifische Tools oder Datenquellen zu und koordinieren sich entlang komplexer Prozessketten. Damit das funktioniert, braucht es eine gemeinsame Sprache: eine standardisierte Beschreibung dessen, was ein Agent darf, weiß und kann. Genau hier liegt die strategische Bedeutung von MCP.
Erstens bringt MCP Struktur in eine bislang oft chaotische Integration von Tools, Speichern und Rollen. Agenten lassen sich darüber nicht nur eindeutig beschreiben, sondern auch modular wiederverwenden – in verschiedenen Systemen, mit verschiedenen Modellen. Zweitens entkoppelt MCP Kontextwissen vom konkreten Sprachmodell: Solange ein Modell das Protokoll versteht, kann es mit den definierten Ressourcen arbeiten. Das schafft Flexibilität bei der Modellwahl – ein echter Fortschritt für alle, die heute GPT nutzen, aber morgen auf Claude oder Open-Source-Modelle setzen wollen. Drittens wird durch MCP die Interoperabilität zwischen Agenten möglich: Sie können sich standardisiert Aufgaben übergeben, auf gemeinsame Speicher zugreifen und Tool-Logiken nachvollziehen – ohne individuelle Anpassung.
Besonders spannend wird das, wenn man bestehende Plattformen wie Zapier in den Blick nimmt: Dort können MCP-kompatible Kontexte erzeugt werden, die Agenten direkt in bestehende Prozessketten einbinden. Feedback-Analysen, Lead-Scoring, Next-Best-Action – all das kann künftig nicht nur automatisiert, sondern agentisch gesteuert ablaufen. Ohne Toolwechsel, aber mit deutlich mehr Kontextverständnis und Entscheidungsintelligenz.
Fazit: MCP ist das "USB" für KI-Agenten?
MCP ist keine inhaltliche Revolution – aber ein entscheidender Schritt in Richtung technischer Reife. Die Kritik, es sei nur ein Repackaging alter Ideen, ist nicht ganz falsch – aber auch nicht das Problem. Denn gerade durch die formale Standardisierung von Rollen, Tools und Kontextzugriffen wird aus dem Altbekannten endlich etwas, das systemübergreifend funktioniert: ein verbindendes Protokoll für agentische Architekturansätze.
Man kann sich MCP vielleicht am besten wie den USB-Standard für KI-Anwendungen vorstellen: Einmal definiert, lassen sich Tools, Datenquellen und Prozesse sauber und reproduzierbar an Sprachmodelle anschließen – unabhängig davon, ob OpenAI, Claude oder ein Open-Source-Modell im Einsatz ist. Für Unternehmen bedeutet das: weniger Integrationsaufwand, bessere Wiederverwendbarkeit, mehr Governance – und endlich eine Basis für interoperable Agentenlogiken, die sich schrittweise produktiv einsetzen lassen.
Wer sich also nicht nur mit generativen Modellen beschäftigt, sondern deren Einsatz strategisch verankern will, sollte sich mit MCP auseinandersetzen. Nicht als Hype, sondern als Grundlage dafür, dass KI-Agenten nicht zum nächsten abgeschlossenen Tool-Silo verkommen – sondern als vernetzbare, kontrollierbare Komponenten in echten Geschäftsprozessen funktionieren.
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